1. Methodik
  2. BÄK-Hinweise

Hinweise der BÄK zur Praxisbewertung

Die Feststellung des ideellen Wertes einer Praxis verlangt eine umfassende Würdigung sämtlicher wertbeeinflussender Fakten. Ein Durchschnittswert der Umsatzzahlen reicht nicht aus, ein so komplexes Gebilde zu bewerten oder dessen inneren Wert festzulegen. Von ausschlaggebender Bedeutung sind vielmehr u.a. die folgenden Faktoren

  • Patientenstamm,
  • Lage der Praxis,
  • Konkurrenzsituation,
  • Praxisorganisation,
  • Gewinnerwartung,
  • Angebot und Nachfrage,
  • die speziellen Besonderheiten jeder Fachrichtung,
  • Marktgegebenheiten,
  • die Persönlichkeit der Praxisinhaber und die
  • Qualität des Mitarbeiterteams

Die obige Aufzählung steht stellvertretend für die Berechnung weiterer Einflussgrößen, die in eine Praxis-Wertberechnung einfließen müssen.

Da sich jede Praxis von jeder anderen schon durch die Individualität des jeweiligen Praxisinhabers oder durch die Struktur der Einrichtung unterscheidet (siehe BGH-Rechtsprechung), kann eine fundierte Praxiswertberechnung nicht mit Faustformeln erfolgen. Eine exakte Bestimmung des Goodwills einer Praxis ist

ohne Berücksichtigung
aller individuellen Praxisbesonderheiten
nicht durchführbar.

 

Ungeachtet dieser Vorbehalte wird mitunter bei Bewertungen auf die „BÄK-Methode“ Bezug genommen. Aus den folgenden Ausführungen kann – auch an Rechenbeispielen – nachvollzogen werden, warum diese allgemeinen Hinweise aus betriebswirtschaftlicher Sicht und wegen ihrer methodisch mangelhaften Ansätze für die konkrete Berechnung des Wertes von Arzt- und Zahnarztpraxen nicht verwendet werden können.

Richtlinie 1963

Nachdem bis Anfang der 60iger Jahre ein Praxisverkauf „nicht üblich“ war, verabschiedete die Bundesärztekammer schließlich eine Richtlinie, die auf einem einfachen Quotenansatz vom Umsatz beruhte und mit der zunächst pauschal der Wert einer Arzt- oder Zahnarztpraxis ohne weiteres Aufsehen bestimmt wurde.

Zweifelsfrei wurde damit auch bekundet, dass eine niedergelassene Praxis einen Wert an sich hatte, der nunmehr eingefordert werden konnte.

Schließlich wurden zahlreiche Varianten entwickelt, von denen einige eine höhere Quote, andere eine Mischrechnung aus Umsatz und Gewinn, wieder andere ein x-faches des Umsatzes vorsahen. Was alles Verwendung fand, haben wir unter „Praxisbewertung: Auswahl einer Methode“ dargestellt.

Diese Hilfskonstruktion konnte aber nicht beibehalten werden, weil sich zwischenzeitlich erhebliche Veränderungen auch im „Marktgeschehen“ ergeben hatten.

Schließlich wurde die Richtlinie ganz verworfen und durch eine neue im Jahre 1987 ersetzt, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird.

Richtlinie 1987

Die von der Bundesärztekammer (BÄK) im Jahre 1987 veröffentlichte „Richtlinie zur Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen“ ist verbindlich nie in Kraft getreten, sondern lediglich vom Vorstand der Bundesärztekammer

„beraten und zustimmend zur Kenntnis genommen worden“.

Keine Landesärztekammer – die dafür zuständig wäre – ist dem Vorschlag der „Richtlinie“ beigetreten und hat sie verbindlich in Kraft gesetzt. Ungeachtet dessen wird in der Rechtsprechung mitunter auf die Verwendung dieser „Richtlinie“ hingewiesen. Der BGH sieht in der Nicht-Verabschiedung aber keinen Hinderungsgrund bei der Anwendung.

Nach der Richtlinie soll der Goodwill einer Praxis im wesentlichen anhand einer festen Quote vom Umsatz (!) bestimmt werden. Hingegen bleibt der für die Bewertung eines jeden Unternehmens maßgeblich zu erzielende Gewinn vollständig unberücksichtigt.

Die „BÄK-Richtlinie“ bliebe, selbst wenn sie von den Landesärztekammern verabschiedet würde, eine Hilfskonstruktion, mit der der wirkliche Praxiswert nicht zuverlässig ermittelt werden kann, weil mehrere Dutzend individuelle Einzelpositionen einer fundierten Bewertung einer Arztpraxis einbezogen werden müssen, was von der BÄK-„Richtlinie“ aber nicht vorgesehen ist.

Abgesehen davon, dass weder die Fachrichtung mit ihren spezifischen Besonderheiten, noch alle sonst auf die Praxis einwirkenden Faktoren, vor allem aber die entscheidende Größe, der Gewinn, nicht dargestellt und aus ihm der Goodwill berechnet werden kann, wird ein Korrektiv vorgenommen, das von der BGH-Rechtsprechung mittlerweile überholt ist: Der Abzug eines pauschalen Oberarztgehaltes.

Warum dies nicht möglich ist, verdeutlichen u. a. die Ausführungen unter „Modifizierte Ertragswertmethode“ und die willkürliche Kürzung durch ein „Oberarztgehalt“, das bestenfalls seine Berechtigung in der Beantwortung der Frage haben könnte, ob die Erträge aus einer zu übernehmenden Praxis über den Honoraren aus abhängiger Tätigkeit liegen.

BÄK-Hinweise 2008

Der BGH hat in einem Verfahren die Ansicht vertreten, die BÄK-Richtlinie sei anwendbar. In einem Kommentar dazu wird ausgeführt:

Es gehört zu den Aufgaben der Ärztekammern, sich im Bedarfsfall gutachtlich zur Bewertung von Arztpraxen zu äußern.“

Nachdem jedoch der BGH von der Bundesärztekammer-Methode abrückte (z.B. BGH XII ZR 45/06 vom 6.2.2008) und aufgrund der ohnehin fehlenden Legitimation der Ärztekammern zur Praxisbewertung (etwa durch einen entspechenden Hinweis in der Berufsordnung oder in den Heilberufegesetzen) haben BÄK und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Bewertungs-Richtlinie von 1987 zurück gezogen und per 9.9.2008 im Deutschen Ärzteblatt durch sogenannte „Hinweise zur Praxisbewertung“ ersetzt.

Wesentliches Merkmal war eine Abkehr vom Praxisumsatz als Bezugsgröße und eine Hinwendung zum Praxisgewinn. Diese soll seither (vermindert um ein je nach Praxisgröße gestaffeltes Arztgehalt) mit dem Faktor 2 multipliziert den Goodwill einer Praxis ergeben.

Diese neuen „Hinweise zur Praxisbewertung“ wurden von ihren Verfassern jedoch mit der ausdrücklichen Einschränkung versehen, dass es sich nur um Anhaltspunkte handelt, die

keine Grundlage für die konkrete Bewertung im Einzelfall darstellen.“

Allenfalls solle sich die im konkreten Einzelfall von einem Sachverständigen angewendete Bewertungs-Methode an den „Hinweisen zur Praxisbewertung“ messen lassen.

Im Hinblick auf die somit in den Hinweisen der BÄK und der KBV gegebene Aufgabe der Verbindlichkeit kann von einer durch die Körperschaften des Gesundheitswesens legitimierten Bewertungsmethode nicht mehr gesprochen werden.

Fragwürdigkeit der Bewertungsansätze

Die Hinweise der BÄK zur Praxisbewertung sind willkürlich und betriebswirtschaftlich nicht haltbar. Auf diese Mangelhaftigkeit auch der neuen BÄK-Hinweise für eine konkrete Einzelfallbewertung wurde bereits durch Gerichte hingewiesen: So urteilt bspw. das Landessozialgericht Baden-Württemberg:

In den Hinweisen der Bundesärztekammer zur Bewertung von Arztpraxen vom 9. September 2008 (a.a.O.) wird die Problematik der Übertragbarkeit einer Praxis ebenfalls aufgegriffen und ihr dadurch Rechnung getragen, dass …. zur Ermittlung des ideellen Wertes ein Prognosemultiplikator von in der Regel zwei Jahren angesetzt werden soll.

Auch dieser Wert erscheint aber als frei angesetzte Größe, die ebenso mit 1, 1,5 oder 2,5 Jahren hätte angesetzt werden können“

LSG BWB – L 5 KA 1323/09 vom 20.10.2010

Auch der in den Hinweisen aus dem Jahr 2008 enthaltene gestaffelte Abzug eines Arztgehaltes wird aktueller BGH-Rechtsprechung ebenso wenig gerecht, wie dem aktuellen Entwicklungs-Stand in der betriebswirtschaftlichen Praxisbewertung.

Beispielrechnungen

In der nachfolgenden Tabelle können Sie ohne Probleme erkennen, zu welch beliebigen Werten die frühere „Richtlinie“ und die aktuelleren „Hinweise“ für ein und dieselbe Praxis kommen:

Vergleichsrechnung BÄK-Methode

Die Umstellung der Faustformel verändert den „errechneten“ Praxiswert ohne weitere Kommentare um sage und schreibe 66%!

Fazit

Eine zutreffende Berechnung des Goodwills einer Praxis nach den Vorgaben der BÄK ist Glückssache.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist eine einheitliche Quote von Umsatz oder Gewinn einer Praxis nicht dazu geeignet, einen tragfähigen Praxiswert zu errechnen. Eine Faustformel berücksichtigt weder die Besonderheiten der einzelnen Fachrichtung, noch die zahlreichen Einflüsse, die sich aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen ergeben.

Weder ein sich verändernder Mitbewerb, noch neu geschaffene Möglichkeiten der Praxisausübung und dadurch wesentliche Umbrüche in der Struktur von niedergelassenen Einrichtungen (z. B. MVZ, überörtliche Kooperationen, Filialen etc.) werden auch nur ansatzweise erfasst.

Auch Änderungen im Honorarwesen finden in einer Faustformel keinen Einfluss auf die Bestimmung des Goodwills, soweit die BÄK-Hinweise angewandt werden. Eine fundierte und belastbare Berechnung des Goodwills mithilfe der BÄK-Hinweise ist daher aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht möglich.